„Halt deine Klappe oder ich schnür’ dir die Gurgel zu“, denkt sich das Zensurhalsband Profile von Iwo Koslowsky, Ricardo Köhne und Marcel Tebbe und verengt darauf deine Atemwege, wenn du ein Schimpfwort benutzt. – Ein Armband, welches dich daran erinnert, den Arsch hoch zu kriegen und dich an Termine zu halten (aua, Zensurhalsband hat angezogen) und zwar durch Stromschläge. Wirklich unangenehm, wenn man dann spät dran ist. – Ein Workout-geiles „Tamagotchi“ mit umgedrehter Bill Cosby Psychologie – Gewichte heben für „Wutz“! – Oder auch eine Sonnenbrille, die die Sonneneinstrahlung misst und dich anhand deines Hauttyps rechtzeitig warnt, bevor du dich verbrennst… Solche und viele andere Apps/Gadgets werden während eines Semesters von Studierenden des Studiengangs „Media & Interaction Design“ entwickelt. Gestern wurden die Konzepte und Prototypen des laufenden Semesters beim “Open House” in deren Atelier auf dem Dachboden des SD-Gebäudes vorgestellt und konnten von den Besuchern direkt ausprobiert werden.

Was ist das für ein Studiengang?

MID-Studis beschäftigen sich mit der Mensch-Computer-Interaktion und damit mit der Entwicklung von neuartigen Apps für das Smartphone, Software oder Gadgets. “Wie werden Eingabemethoden zu einer Erweiterung unserer Gedanken, Sinneserfahrungen zu einem Bestandteil von Interaktionen und Prozesse so optimiert, dass sie einem natürlichen Fluss gleichkommen?”

Während ich die vorgestellten Projekte sehr spannend und unterhaltsam finde, bleibt mir der beschwerliche Weg hin zu einem kinderleicht anzuwendendem Prototyp völlig verborgen. Gut gelaunt präsentieren die 20-30 Studenten eines Jahrgangs ihre Werke und belächeln die zurückliegenden schlaflosen Nächte. Vermutlich, weil nun auch eine große Last von den Schultern der geprüften Studis fällt, wenn sie den interessierten und auch begeisterten Besuchern ihre Babies präsentieren können und dann auch noch funktionieren!

Für mich ist das alles eh nur schwer zu greifen. Ich meine, ey… diese Leute arbeiten mit 3D-Druckern, entwickeln Bewegungssensoren, die ich nur von der Nintendo Wii kenne, stecken unfassbar viel Zeit in ein Projekt und am Ende kommt ein möglichst kompaktes, komprimiertes Werk heraus, welches im besten Fall auch noch in die Hosentasche passt. Während ich mir die ausgestellten Projekte also anschaue, versuche ich mir vorzustellen, wofür diese Prototypen in Zukunft als Grundlage dienen könnten. Ich versuche die Innovation hinter den Projekten zu begreifen:

„Wutz“: Das Workout-geile Tamagotchi
von Jannik Bussmann, Sebastian Galetzka, Carlos Niermeier

Darf ich vorstellen? Wutz ist ein Strichmännchen in App-Form, der seine Oberarm-, Bauch- und Beinmuskeln aufgepumpt haben möchte. Du kannst Wutz einer Bosstransformation unterziehen. Der Effekt: Du trainierst dich selbst! Eine mit Bewegungssensor versehene Hantel oder andere Trainingsgeräte dienen dabei als Steuergeräte („Wearable“) durch verschiedene Minigames. Das Wearable überträgt die ausgeführten Bewegungen. Je nachdem, was für Games du absolvierst, nimmt der Avatar an entsprechenden Stellen an Muskelmasse zu. Wenn du länger nicht trainierst, verliert er seine Muckis. Ein sehr undankbarer Sport!

 „Zwing“: Stromschläge für Zuspätkommer
von Nina Hanfeld, Sorel Loum, Felix Queisler

Über ein am Arm getragenes Wearable Device, welches über Bluetooth auf den Smartphone-Kalender zugreift und prüft, ob du dich an deine Termine hältst. Über GPS wird geprüft, ob du pünktlich am Zielort erscheinst. Wenn du spät dran bist, wirst du mit Elektroschocks gestraft.

 „Movieclash“: Kein Streit mehr um DEN Film beim DVD-Abend
von Lennart Borstelmann, Ricardo Köhne, Marcel Tebbe

Movieclash soll uns die Wahl eines Films bei einem gemeinsamen Videoabend erleichtern. 2 Spieler können ihre favorisierten Filme in den unterschiedlichsten Kategorien gegeneinander antreten lassen. Welcher Film enthält mehr action? Welcher Film zeigt mehr Haut?

 Critical Design: „Flüchtlings-Tindern: wer darf bleiben?“
von Jonas Mai

Critical Design soll die gesellschaftliche Kontroverse eröffnen. In diesem App-Entwurf wurden der Datinganbieter „Tinder“ und die politische Flüchtlingsdebatte aufgegriffen. Die Oberflächlichkeit eines Tinders, in dem man Menschen nur anhand von ihrem Aussehen aussortiert, wird mit der politischen „Massenabfertigung“ individueller Schicksale verbunden. In erster Linie soll das provozieren und den gesellschaftlichen Umgang mit diesen Menschen in Frage stellen.

Wie geht’s weiter?

Ich hoffe, ich konnte dein Interesse für den Studiengang „Media und Interaction Design“ wecken und möchte dir auch in Zukunft einige der Projekte vorstellen und über anstehende Ausstellungen an der Hochschule informieren. Das Halsband, welches deine böse Zunge zügeln soll, wird kommende Woche in Berlin vorgestellt. Heißt, ein Nachtrag mit weiteren Projekten soll bald folgen!

Text: Andrej Galic
Fotos: Michael Eichten